Nicht proeuropäisch?

Liberaler Fraktionschef ist „von Kurz enttäuscht“

Ausland
23.03.2019 11:22

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spricht sich bekanntlich für ein „Europa der Subsidiarität“ aus - für ein Europa, das „in den großen Fragen“ stark ist und sich „in anderen Fragen, die Regionen oder Mitgliedsstaaten selbst besser regeln können, zurücknimmt“. Das passt nicht jedem. So fällt Guy Verhofstadt, der Chef der liberalen Fraktion im Europaparlament, aktuell durch scharfe Kritik an Österreichs Kanzler auf. Dieser sei, meint Verhofstadt, „kein proeuropäischer Politiker mehr“.

„Ich bin von Sebastian Kurz sehr enttäuscht. Er hat in der Migrationsfrage keine proeuropäische Haltung an den Tag gelegt, sondern sogar in jedem EU-Land noch Probleme geschürt. Als EU-Ratspräsident hätte er für eine gemeinsame Lösung eintreten müssen. Er hat das Gegenteil davon getan“, sagte Verhofstadt dem Nachrichtenmagazin „profil“.

„Wenn wir immer warten, verschwindet die EU“
Der Liberale fordert Reformen in der EU, etwa die Abschaffung einstimmiger Beschlüsse: „Wenn wir immer warten, bis alle zustimmen, dann verschwindet auch die EU.“ Bei Zukunftsthemen hinke die Union der globalen Entwicklung nach.

Unter den 200 weltgrößten Digitalkonzernen würden demnach nur acht aus der EU stammen. „Für Schokolade, Champagner und Autos haben wir den Binnenmarkt, für die boomenden Bereiche bei den Dienstleistungen im digitalen Bereich oder im Finanzsektor nicht“, so der liberale Politiker und Brexit-Koordinator des Europaparlaments. „Wir brauchen eine Renaissance, eine Erneuerung und Reform der EU, so schnell wie möglich.“

„Nicht hinter Grenzzäune zurückziehen“
Verhofstadt spricht in dem Interview unter anderem auch von „Anstrengungen rechter Gruppierungen“, die vorhätten, nach den Europawahlen die EU zu „zerstören“. „Nicht nur die FPÖ, sondern auch Steve Bannon, Trumps früherer Wahlkampfstratege, bemüht sich, dieses Lager zu einen. Unsere Antwort darauf kann nur lauten: Wir müssen eine starke proeuropäische Bewegung gründen, die für die Bürger und Bürgerinnen eine bessere Zukunftsalternative bietet. Wir brauchen dringend Reformen in der EU. Aber die Antwort kann nicht ein Rückzug hinter nationale Grenzzäune sein.“

ÖVP: „Auch als Liberaler sollte man bei der Wahrheit bleiben“
Die Retourkutsche aus Wien ließ nicht lange auf sich warten: Der Kanzler habe „einen klar proeuropäischen Fokus“ und stelle diesen „in seiner täglichen Arbeit unter Beweis“. Weiters warf der ÖVP-Pressedienst dem Kritiker vor, nicht die „Wahrheit“ zu sagen und forderte den Fraktionschef auf „in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen“. „Verhofstadt dürfte mit seinem tschechischen Parteifreund Andrej Babis und dessen ANO 2011 sowie den in Rumänien mitregierenden Liberalen eigentlich alle Hände voll zu tun haben. Wir freuen uns, wenn Verhofstadt die Enttäuschung über seine Parteikollegen kundtut und sie aus seiner Fraktion ausschließt“, betont man in der Vorlkspartei.

Zur Kritik des belgischen Liberalen, Kurz habe „in der Migrationsfrage keine proeuropäische Haltung an den Tag gelegt, sondern sogar in jedem EU-Land noch Probleme geschürt“, heißt es dort: „Die Aussagen sind inhaltlich falsch und entbehren jeglicher Grundlage. Sebastian Kurz hat sich immer für eine echte Lösung im Bereich der Migration eingesetzt und befürwortet die Rückkehr zu einem Europa ohne Grenze nach innen, wenn ein solider Außengrenzschutz gewährleistet ist.“

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